Fraktionsvorsitzender Richter spricht für das Gremium:

 

„Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

eine Jahresschlussrede zu halten, würden bereits viele als Herausforderung bezeichnen. Eine Rede nach ganzen drei Jahren ohne Jahresschlussrede zu halten, grenzt eigentlich bereits an eine Zumutung.

 

Nun ja, Zumutungen sind etwas, mit welchen die Stadt Marktheidenfeld und dabei insbesondere die Verwaltung und wir als Stadträte in verschiedenster Form konfrontiert waren und sind.

 

Erlauben Sie mir daher einen kurzen Rückblick über all die Unzumutbarkeiten, Wagnisse und anderen Herausforderungen, welche sich in den vergangenen drei Jahren stellten.

 

Vor drei Jahren harrten alle politischen Gruppierungen unserer Stadt noch der nahenden Kommunalwahl. Für manche waren die städtischen Zustände vor der Wahl eine Zumutung, für andere die Wahl selbst. Wieder andere mögen gar den Einzug meiner Fraktion und vielleicht sogar im Laufe der Zeit auch mich selbst als Zumutung empfunden haben.

 

Nichtsdestotrotz sind Wahlen etwas, mit dem man umgehen und deren Ergebnis jeder Demokrat akzeptieren muss. Im besten Fall kommt sogar eine Konstellation zustande, aus welcher alle Beteiligten das beste in guter Zusammenarbeit machen können.

 

Wer in den vergangenen Monaten und Jahren die Presse verfolgt hat oder per Hören und Sagen von so manchen Zwistigkeiten in anderen Kleinstädten der näheren Umgebung gehört hat, muss eigentlich zwangsläufig bei Beobachtung und Bewertung des aktuellen Hädefelder Stadtrates zum Ergebnis kommen, dass wir es eigentlich gar nicht so schlecht getroffen haben.

 

Bei aller gelegentlicher Hitzigkeit der Diskussionen meine ich, dass wir konstatieren können, über einen Stadtrat zu verfügen, der im besten Sinne „basisdemokratisch“ agiert. Sie werden sich fragen, wie kommt er darauf. Nun sicherlich hat jede Fraktion eine gewisse Richtung und orientiert sich – falls vorhanden – an den großen Ideen und Programmen ihrer Landes- oder Bundesorganisationen. Bei uns im Stadtrat führte dies in den letzten drei Jahren jedoch praktisch nie zu festgefahren Positionen und schon gar nicht zu dem vielfach als geradezu grundgesetzwidrig aber oft als unvermeidlich dargestellten Fraktionszwang.

 

In Marktheidenfeld ist das Gegenteil der Fall. Es kommt praktisch regelmäßig zu völlig kunterbunten Abstimmungen über die Fraktionsgrenzen hinweg. Eine Abstimmung streng nach Fraktionen ist dabei geradezu die Ausnahme und meist nur aus Zufall oder dann, wenn sich ohnehin alle einig sind, der Fall.

 

Ich glaube hier können wir durchaus stolz auf uns sein.

 

·         Keine Scheuklappen,

·         keine festgefahrenen unverrückbaren Positionen,

·         eine gelebte Streit- und Diskussionskultur und

·         vor allem Abstimmungen der einzelnen Mandatsträger – nur nach persönlicher Überzeugung und dem eigenen Gewissen verantwortlich.

 

Das ist immerhin das, was sich bei Umfragen immer alle wünschen.

 

Hier ist das so und ich wünsche uns, dass dies auch mindestens die weiteren Jahre der aktuellen Wahlperiode so bleibt. Dies ausdrücklich in der Gewissheit, dass so vielleicht nicht immer die besten, aber jedenfalls ehrliche, transparente und im besten Sinne demokratische Entscheidungen zustande kommen.

 

Wie schwierig Demokratie und ein vernünftiger faktenorientierter Meinungsbildungsprozess im Einzelfall aber auch sein kann, musste in den letzten Jahren nicht nur die sogenannte „große Politik“ erleben.

 

Während die Welt-, Bundes- und Landespolitik mit den geradezu apokalyptischen Themen von Pandemien, Krieg, Energieknappheit und Inflation in schon lange nicht mehr gekanntem Ausmaß konfrontiert war, waren die Themen unserer Stadtpolitik zwar gottlob weitaus weniger weitreichend und schon gar nicht apokalyptisch. Dennoch meine ich, dass auch wir vor Herausforderungen und Themen gestellt wurden, von denen die wenigsten vor drei Jahren auch nur annähernd geträumt haben und welche sich in diesem Ausmaß sowohl im weiten Umkreis als auch in unserer Stadt selbst in der jüngeren Vergangenheit (wenn überhaupt) nur selten stellten.

 

Eigentlich war es ja schon schwer und nervenaufreibend genug, die Stadtratsarbeit und allgemein die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und aller städtischen Einrichtungen unter der Pandemiegesetzeslage aufrecht zu erhalten. Keine Teilnahme der Bürgerschaft an Stadtratssitzungen, keine Möglichkeit der direkten Kommunikation mit den Menschen unserer Stadt, keine Laurenzi, keine Festbierprobe und auch sonst keinerlei öffentliche Veranstaltungen. Wie nur sollen da all die Probleme und Themen in die Bürgerschaft getragen werden und dieser plausibel erklärt werden? Also so, wie es sich sicherlich gerade die neuen Fraktionen fest vorgenommen hatten. Ganz neue Herausforderungen also. Eine Situation, die sich insbesondere die voll Motivation neu gewählte Stadträtin, der neugewählte Stadtrat oder Bürgermeister sicher ganz anderes vorgestellt hat.

 

Eigentlich hätte diese allgemeine Lage bereits als Belastung vollkommen genügt. Stadtrat und Verwaltung beschäftigten sich jedoch nicht nur hiermit, sondern praktisch von Beginn der Wahlperiode an ununterbrochen mit Themenfeldern, die sich oftmals geradezu als auf uns hereinbrechende biblische Plagen anfühlten und immer noch fühlen. Hoffen wir, dass daraus jedenfalls keine sieben apokalyptischen Plagen werden – wobei, bei näherem Überlegen ließe sich wohl allein das Endlos-Thema unseres Schwimmbades nicht nur in sieben, sondern quasi sogar in zehn mosaische Plagen gliedern. Diese wären dann wie folgt auf uns hereingekommen:

 

1.    Los ging es mit den durch InterSPA schon früher, nur aber energisch, aufgrund vermeintlicher Unprofitabilität des Badbetriebs, aufgestellten Behauptung, Passagen des geschlossenen Erbbaurechtsvertrags müssten erheblich abweichend und zum finanziellen Vorteil von InterSPA interpretiert und ausgelegt werden.

 

2.    Dann kam die gesetzliche Schließung des Wonnemar aufgrund Coronapandemie, für die InterSPA ausnahmsweise mal nichts konnte.

 

3.    Es folgte die Insolvenz der Betreibergesellschaft

 

4.    Als ob auch das nicht bereits genug wäre, wurden dann alle Versorgungsverträge gekündigt und die Blockheizkraftwerke abtransportiert. Lösung: Notbetrieb durch die Stadt.

 

5.    Der Insolvenzverwalter verkaufte schließlich zur Abkürzung des Insolvenzverfahrens auch die Geschäftsanteile an der Besitzgesellschaft an AIM – man munkelt zu einem Spottpreis, den wir locker auch bezahlt hätten.

 

6.    Nächster Schock: Austausch der Schlösser und Ausschluss der Stadt aus dem Bad – einschließlich nächtlicher Übergabe eines Notschlüssels beim Feuerwehrkommandanten.

 

7.    Es folgten unseriöse Verhandlungen mit AIM. Stichwort: Hotel mit Bademantelgang

 

8.    Schließlich waren wir gezwungen, das vertraglich vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren einzuleiten – dies einschließlich erstaunlicher und auch für einen Juristen nur mit Kopfschütteln zu quittierender Verhandlungsführung mancher Beteiligter – Akteure der Stadt ausdrücklich ausgenommen!

 

9.    Jubeltrunken über das Obsiegen im Schiedsgerichtsverfahren mussten wir die Weigerung von InterSPA dem Schiedsspruch Genüge zu tun, zur Kenntnis nehmen und ein Vollstreckbarerklärungsverfahren beim Bayerischen Obersten Landesgericht einleiten.

 

10.  Vorerst neueste und letzte Plage ist nunmehr die Insolvenz der Besitzgesellschaft – welch Überraschung – mit dem „alten“ Insolvenzverwalter und ganz neuen, geradezu abstrusen Forderungen.

 

Welche Hiobsbotschaften diese zehn Plagen bedeuteten, wurde oft in langen nichtöffentlichen Sitzungen, welche oftmals noch nach öffentlichen Sitzungen fortgesetzt werden mussten oder gar in reinen Sondersitzungen, besprochen.

 

Guter Rat war oft teuer und die Frage, ob tatsächlich der richtige Weg eingeschlagen wurde, sorgte dafür, dass wir vielfach mit einem flauen Gefühl im Magen nach Hause gingen.

 

Festgehalten werden muss an dieser Stelle jedoch – so meine ich jedenfalls – dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben und uns nicht auf windige, vermeintlich „wirtschaftliche“ Lösungen eingelassen haben, sondern an unserer Rechtsauffassung festgehalten und den Mut gehabt haben, auch den vertraglich vorgesehenen Rechtsweg zu beschreiten und vor allem geradlinig zu bleiben.

 

Hoffen wir, dass auch dieses steinige Kapitel zu einem Ende geführt werden kann und uns unser Anwalt, geradezu als städtischer Moses durch das sprichwörtliche Rote Meer in die ebenso sprichwörtliche Freiheit führen wird.

 

Nicht verschwiegen werden darf jedoch, dass auch die Sanierung und der spätere Betrieb des Bades uns noch einiges abverlangen wird. Dies können wir dann jedoch selbst gestalten und sind hoffentlich nur in geringerem Maße auf das Zutun anderer – uns nicht gewogener Personen und Kräfte – angewiesen.

 

Das Gefühl, immer hinterherzurennen und keine Luft für neue Gestaltungen und Projekte zu haben, ist etwas, das für mich die aktuelle Situation unserer Stadtpolitik auch in anderen Themenfeldern gut trifft.

 

Ohne tiefer ins Detail gehen zu wollen, seien nur kurz weitere oftmals ebenfalls kontrovers diskutierte Projekte in Erinnerung gerufen. Vielfach musste auch hier der Kopf geschüttelt und sich zerbrochen werden, wenn sich das Handeln der Beteiligten Investoren, Behörden, Planern und anderen Beteiligten als in der Argumentation vorgeschoben, zurechtgezimmert oder gar unverschämt herausstellte.

 

Zu nennen sind hier die vielen durchgeführten und angestoßenen Bauleitverfahren, wie die Aufstellung und Änderung der Bebauungspläne für das ehemalige Ziegeleigelände, das Lermann-Areal, das sog. Baumhofquartier, das Gewerbegebiet Dillberg, die Bahnhofstraße (Stichwort Sternenzelt), das Sondernutzungsgebiet Söllershöhe sowie die Wohnbaugebiete Märzfeld und Marienbrunn. Hinzukommen thematisch passend diverse Straßenbauarbeiten wie die Sanierung der Michelriether Straße in Altfeld oder die Sanierung der Kreuzung Würzburger Straße/Äußerer Ring und zuletzt der Spessartstraße.

 

Die Fertigstellung der Feuerwache, des Bürgerhauses in Glasofen und Michelrieth, die Renovierung und Ergänzung der Aussegnungshallen auf dem Altstadtfriedhof und dem Friedhof in Altfeld und das sich ebenfalls als nicht enden wollend herausstellende soziale Wohnbauprojekt Säule II waren allesamt Bauvorhaben, bei welchen vor allem die immensen Kostensteigerungen und Bauzeitverlängerungen in Erinnerung bleiben werden. Mit dem Anbau der Grundschule und des Kindergartens in Altfeld wird es sich wohl auch nicht viel anders verhalten.

 

Festzuhalten ist hier aber auch, dass ein Großteil der Bauprojekte noch aus der vorangegangenen Wahlperiode stammen und der Baufortgang und die Kostenkontrolle von Stadtrat und Verwaltung nur in äußerst geringem Maße beeinflusst werden können. Die Zwänge des Vergabeverfahrens, der gerade für öffentliche Bauten geltenden Bauvorschriften und oftmals auch die Vorgaben aus diversen Förderrichtlinien lassen hier vielfach einfach keinen Spielraum zu günstigeren Lösungen

 

Die Durchführung vorbereitender Untersuchungen zur Erstellung eines nachhaltigen integrierten Stadtentwicklungskonzepts (INSEK) sowie die Aufstellung eines neuen Stadtsanierungs- und Stadtumbaugebiets war ein Themenkomplex, bei welchen in der Nachschau deutlich wird, wie wichtig es ist, sich gerade bei der Beteiligung an Förderprogrammen über Sinn und Zweck sowie die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen bereits vor Beginn des anzustoßenden Prozesses zu informieren. Hier haperte es deutlich und es bleibt zu wünschen, dass auch die Verwaltung künftig kritischer agiert und den Stadtrat frühzeitig so umfassend informiert, sodass schlussendlich eine qualifizierte faktenorientierte Debatte und Abstimmung im Stadtrat überhaupt erst in ausreichendem Maß möglich wird.

 

Selbstverständlich gehört hierzu aber auch die Bereitschaft des Stadtrats, sich mit abstrakteren Hintergrundfragen beschäftigen zu wollen und sich beispielsweise nicht nur plakativ für die erneute Generierung von Fördergeldern bejubeln zu lassen. Wie wir selbst bei der Michelriether Straße erlebt haben, wäre uns die Durchführung ohne Fördermittel nämlich nicht nur unkomplizierter, sondern auch erheblich billiger gekommen.

 

Der dieser Tage in der Presse zu lesenden Kritik des Gemündener Bürgermeisters an den immer weiter ausufernden und oftmals völlig fehlleitenden Förderprogrammen von Land, Bund und EU kann ich hier nur beipflichten. Hier ist es an den heimischen Landtags- und Bundestagsabgeordneten, sich für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Städte und Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgaben, wie sie eigentlich vom Grundgesetz in Art. 28 Abs. 2 sowie in der Bayerischen Landesverfassung ausdrücklich vorgesehen ist, in deutlich stärkerem Maße einzusetzen.

 

Welche Zumutung auch die Zusammenarbeit mit dem Landkreis sein kann, muss ich in Marktheidenfeld wohl nicht besonders und schon gar nicht mittels Aufzählungen betonen.

 

Zu welchem Vertrauensverlust aber eine Vielzahl von leeren Versprechungen, Enttäuschungen und Vertröstungen führen kann, konnte man erst am vergangenen Dienstag in der Abstimmung über die potentielle Einbringung eines Grundstücks in die vom Landkreis angestoßene Bauleitplanung für das Krankenhausgelände – auch Baumhofquartier genannt – erleben.

 

Ob die Entscheidung – ohne die fragwürdigen Geschehnisse im Zusammenhang mit KRE, AWO und dem Auftritt von HCC samt Klinikreferenten in nichtöffentlicher und öffentlicher Sitzung genauso gefallen wäre, darf zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden.

Hier gilt das Sprichwort: „wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“

 

Auch hier wäre zu wünschen, dass künftig ehrlich kommuniziert und vor allem offen Rede und Antwort gestanden wird.

 

Auch wenn uns viele Widrigkeiten und Zumutungen durch die vergangenen drei Jahre begleiteten, können wir doch froh sein, dass wir jedenfalls bislang von größeren finanziellen Einbußen verschont geblieben sind und über eine nach wie vor starke und krisenfeste Wirtschaft verfügen. Diese ist nicht zuletzt für die bestehende niedrige Arbeitslosigkeit und wenig soziale Not- und Missstände verantwortlich. Hoffen wir, dass Wohlstand und Zufriedenheit in unserer Stadt noch lange bestehen bleiben wird.

 

Weihnachten ist für Christen immerhin nicht nur das Fest der Familie, sondern auch das Fest der Hoffnung und frohen Erwartung. Es ermutigt dazu, frohen Mutes in die Zukunft zu blicken und nicht den Kopf in den Sand zu stecken.

 

Mögen daher auch noch so viele neue Zumutungen auf uns zu kommen, sollten wir uns stets bewusstmachen, dass Zumutungen nicht immer auch unzumutbar und quasi vom Schicksal gegeben sind. Im Kern des Wortes Zumutung steckt immerhin auch das Wort „Mut“ und bei mutiger und konstruktiver Bewältigung schwieriger Herausforderung besteht immer auch die Option etwas ganz Neues und Gutes zu schaffen, welches vielleicht sogar einen viel größeren Wert hat, als Dinge, die uns einfach so in den Schoss fallen.

 

Ich wünsche uns als Stadt Marktheidenfeld daher viel Durchhaltevermögen und nur das Beste für das neue Jahr 2023.

 

Ihnen allen und Ihren Familien wünsche ich jedoch zunächst gesegnete Weihnachten, einen guten Beschluss und nun guten Appetit!“

 

 

 

Anschließend geht man zum gemütlichen Beisammensein über.