(Beim Ortstermin im Stadtwald sind Forstdirektor Dr. Wolfgang Netsch und Revierleiter Thomas Vogel anwesend.)

 

Dr. Netsch und Herr Vogel berichten während eines Waldbegangs über die aktuelle Situation im Stadtwald.

 

Ökologische und klimastabile Ausrichtung des Stadtwaldes

In der von der Flurbereinigung ausgeräumten Landschaft dient der Stadtwald vielen Tier- und Pflanzenarten als wertvolles Rückzugsgebiet und den Bürgern als Naherholungsraum. Er erfüllt darüber hinaus die Funktionen des Boden- und Wasserschutzes und sorgt für ein ausgeglichenes Klima.

 

Bis in die 1970er Jahre wurde er in unterschiedlicher Weise übernutzt, entmischt und durch die Begründung von Nadelholzreinbeständen anfällig gegenüber Naturgewalten. Aufgrund der Orkane „Vivian“ und „Wiebke“ im Jahr 1990, „Vincent“ und „Lothar“ im Jahr 1999, „Kyrill“ im Jahr 2007 und „Emma“ im Jahr 2008 sowie durch immer wiederkehrende Borkenkäferkalamitäten und extreme Trockenjahre sind im Stadtwald rund 250 Hektar an Katastrophenflächen zu verzeichnen.

 

Seitdem ist es das Ziel, durch natürliche Verjüngung und Pflanzung von Eiche, Hainbuche und Linde den Grundstein für standortgerechte und klimaresistente Laubmischwälder zu legen. Dieses Ziel konnte durch die Finanzkraft der Stadt und die Zustimmung des Stadtrates schnell und erfolgreich in die Tat umgesetzt werden. Das Verhältnis von Nadelholz zu Laubholz hat sich dadurch von ehemals 70:30 inzwischen in das Gegenteil umgekehrt.

Mit der ersten Forsteinrichtung/Forstinventur im Jahr 1986 wurde diese Zielsetzung, gestützt auf das Bayerische Waldgesetz, auch rechtsverbindlich für die Stadt Marktheidenfeld.

 

Folgende Stationen (Waldbilder) und Themen werden beim Waldbegang behandelt:

1.         Stilllegung von Waldflächen (Station 1)

2.         Feldhecken sowie Erstaufforstungen auf städtischem Ackerland

3.         Wiederaufforstungsflächen aus dem Frühjahr 2022 und 2020 und deren Pflege

(Stationen 2 und 3)

4.         Erste Wiederaufforstungsfläche nach dem Sturm „Wiebke“ am 01.03.1990

(Station 4)

5.         Holzmarkt/Holzverkauf

6.         Brennholz

7.         Verkehrssicherungspflicht

 

1.            Stilllegung von Waldflächen (Station 1)

(Antrag aus der Haushaltsrede der SPD-Stadtratsfraktion vom 28.01.2021)

Waldflächen, die aus der Nutzung genommen werden, entwickeln – allerdings über sehr lange Zeiträume – naturnahe und urwaldähnliche Strukturen. Sie dienen damit in besonderer Weise dem Natur- und Artenschutz.

 

Für eine Stilllegung käme ggf. ein ca. 31 Hektar großer Eichen- bzw. Buchenbestand in der Waldabteilung „Scheuerberg“, bei Zimmern in Frage. Der Bestand hat ein Alter von 65 – 175 Jahren. Er befindet sich an einem kaum erschlossenen Steilhang oberhalb eines Radweges. Kleinflächig beinhaltet er auch einen naturschutzfachlich äußerst hochwertigen Ahorn-Linden-Hangschuttwald.

 

Nach Auskunft des örtlich zuständigen Revierleiters des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt ist eine Förderung des Nutzungsverzichts nach den Richtlinien des Vertragsnaturschutzprogrammes Wald (VNPWaldR 2021) angesichts des noch relativ geringen Alters des Bestandes und der damit verbundenen aktuell noch geringen ökologischen Wertigkeit nicht möglich.

Deshalb wird im Rahmen eines Ortstermins am 10.06.2022 mit der unteren Naturschutzbehörde geklärt, ob und ggf. in welchem Umfang der Nutzungsverzicht durch Ökopunkte honoriert werden kann.

 

2.            Feldhecken sowie Erstaufforstungen auf städtischem Ackerland

(Antrag aus der Haushaltsrede der SPD-Stadtratsfraktion vom 28.01.2021)

Feldhecken und Feldgehölze sind in den Gemarkungen der Stadt Marktheidenfeld in sehr unterschiedlichem Umfang vorhanden, in den Gemarkungen Marktheidenfeld, Glasofen und Zimmern reichlich und großflächig, in den Gemarkungen Altfeld, Michelrieth und Oberwittbach dagegen sehr gering.

 

Grundsätzlich werden Feldhecken, insbesondere eine Neuanlage von Feldhecken, seitens der Landwirtschaft kritisch gesehen. Die Stadt Marktheidenfeld verfügt über einige Hektar Ackerland, die für Erstaufforstungen herangezogen werden könnten. Vorab müssten die aktuell bestehenden Pachtverhältnisse aufgelöst werden. Hinzu kommt in jüngster Zeit die Getreideknappheit auf dem Weltmarkt, die die Aufforstung von Ackerland problematisch erscheinen lässt und deshalb kontrovers diskutiert wird.

 

3.            Wiederaufforstungsflächen aus dem Frühjahr 2022 und 2020 und deren

Pflege (Stationen 2 und 3)

Bedingt durch die Trockenjahre 2018, 2019 und 2020 sind acht Hektar Kalamitätsflächen entstanden. Im Frühjahr 2020 konnten davon knapp vier Hektar wieder aufgeforstet werden, welche bereits beim letzten Waldbegang am 29.09.2020 besichtigt wurden. Hinzu kamen im Februar 2022 weitere zwei Hektar Sturmflächen durch die Stürme „Ylenia“, „Zeynep“ und „Antonia“. Gleichzeitig konnte im Frühjahr 2022 erneut eine Fläche von ca. zwei Hektar aufgeforstet werden.

 

Geplant war, die verbliebenen vier Hektar im Herbst 2022 bzw. im Frühjahr 2023 zu bepflanzen. Bedingt durch die bundesweiten Trockenschäden seit 2018 wird sich die Planung wohl nicht oder nur in geringem Umfang realisieren lassen. Ursache dafür ist, dass es im Herbst 2021 kein Mastjahr bei Eiche und Buche gab und somit für 2022 (Herbst) und 2023 (Frühjahr) keine Forstpflanzen angezogen werden können.

 

Die im Frühjahr 2022 aufgeforstete Fläche, die sich auf acht Teilflächen verteilt, wurde mit standortgerechten und klimatoleranten Baumarten wie Eiche, Buche, Hainbuche, Linde, Kirsche, Baumhasel und Esskastanie bepflanzt. Für die Wiederbestockung von zwei Hektar Kalamitätsfläche mit 16.425 Pflanzen sind für Pflanzenankauf und Pflanzarbeiten Kosten von 27.600 € entstanden. Hinzu kamen Kosten von ca. 5.000 € für Wildschutzzäune sowie ca. 10.000 € für das Vorbereiten der Pflanzflächen (Reisig räumen, Mulcharbeiten).

 

Für die Wiederaufforstungsmaßnahmen wurden vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Karlstadt 45.177 € an Fördermitteln bewilligt und ausgezahlt. Erfreulich ist dabei, dass sich der Fördersatz seit der Frühjahrspflanzung 2020 verdoppelt hat. Er beträgt derzeit 2,75 € pro Forstpflanze.

 

Für das Ausgrasen und die Pflege der Wiederaufforstungsflächen werden in den nächsten fünf bis sieben Jahren erhebliche Kosten auf die Stadt zukommen. Bisher wurden die Flächen händisch mit Sichel, Sense oder Motorsense mit einem hohen Personal- und Kostenaufwand ausgegrast. Um die Pflege der Forstkulturen so kostengünstig wie möglich zu halten, wurde auf ein neues Verfahren mit fast 100 % Maschineneinsatz umgestellt.

 

4.            Erste Wiederaufforstungsfläche nach dem Sturm „Wiebke“ am 01.03.1990

(Station 4)

In der Waldabteilung „Obere Heg“ im Stadtwald Altfeld konnten noch im Frühjahr 1990 (kurz nach dem Sturm „Wiebke“) die ersten zwei Hektar mit standortgerechtem Laubmischwald wieder aufgeforstet werden. Der Bestand ist heute 32 Jahre alt. Bedingt durch den Standort wurde hier auf die Traubeneiche mit der Herkunft „Spessart“ gesetzt. Zuvor war die rund 15 Hektar große Waldabteilung zu 100 % mit nicht standortgerechter Fichte bestockt.

 

Leitbild dieser Baumartwahl ist die ca. 200 Jahre alte Waldabteilung „Eichholz“ zwischen dem Schützenhaus und dem Flugplatz in Altfeld. Die Waldabteilung „Eichholz“ zeigt, dass standortgerechte Baumarten, wie die Eiche, bisher allen Schadereignissen weitestgehend getrotzt haben.

 

5.            Holzmarkt / Holzverkauf

Im Jahr 2021 wurden 4.200 Festmeter (fm) Holz eingeschlagen und restlos verkauft. Das jährliche Einschlagssoll liegt bei 4.700 fm. Das eingeschlagene Holz war ausnahmslos Kalamitätsholz aus den Trockenjahren 2018 - 2020. Deshalb wurden für die 4.200 fm Schadholz keine Spitzenpreise erzielt, obwohl es für Frischholz eine hohe Nachfrage und einen massiven Preisanstieg gab.

 

Im laufenden Jahr 2022 können 50 % des Einschlags zu erfreulich hohen Preisen verkauft werden. Hierbei handelt es sich um frische Sturmholzfichte aus dem Februar 2022. Bei den übrigen 50 % handelt es sich um Holz geringer Qualität aus den Trockenjahren.

 

Derzeit liegen die Preise für frische Fichte zwischen 90 und 100 €. In den Trockenjahren wurden für Schadholz ca. 20 – 30 € erzielt.

 

6.            Brennholz

Bis zum Jahreswechsel 2021/2022 konnte hinsichtlich des Brennholzverkaufs lediglich auf die Stammkunden zurückgegriffen werden. Dies lag an den bis dahin niedrigen Energiepreisen und daran, dass der Stadtwald zum Großteil nur Nadelholz aus den zurückliegenden Trockenjahren anbieten konnte.

 

Seit Februar 2022 ist die Nachfrage nach Brennholz enorm gestiegen. Allerdings kann die hohe Nachfrage nicht vollständig bedient werden. Deshalb müssen Bürger an örtliche Holzeinschlagunternehmen oder andere Kommunen verwiesen werden.

 

7.            Verkehrssicherungspflicht

Durch den Stadtwald verlaufen elf öffentliche Straßen, zahlreiche Kultur-, Rad- und Wanderwege sowie der Waldwichtelweg. Die Verkehrssicherungspflicht, d. h. das Entfernen von abgestorbenen Bäumen, dieser im Stadtwald liegenden Wege und Straßen obliegt der Forstverwaltung.

 

Um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, mussten bedingt durch die Trockenjahre bereits zwei kostenintensive Verkehrssicherungshiebe pro Jahr durchgeführt werden. Entlang von stark frequentierten Erholungswegen, wie Rad- und Wanderwegen, Kulturwanderwegen und dem Waldwichtelweg, wurden mit umfangreichen Maßnahmen Totholzäste aus den Kronen geschnitten.

 

Trotz dieser Maßnahmen herrscht nach wie vor ein hohes Gefahrenpotenzial auf den Waldwegen. Viele Städte und Gemeinden sperren deshalb zeitweise ihre Waldwege. Dies kann auch in Zukunft für den Stadtwald nicht ausgeschlossen werden.

 

Dr. Netsch und Herr Vogel stehen den Anwesenden für Fragen zur Verfügung und beantworten diese detailliert. Es wird festgehalten, dass Entscheidungen zur Stilllegung verschiedener Waldflächen und der möglichen Inanspruchnahme von Fördermöglichkeiten in einer der nächsten Stadtratssitzungen behandelt werden.